Sorgsam renovierte Gebäude, Kirchen und die Fußgängerzone, historische Plätze und gepflegte Grünanlagen – ein Stadtbummel öffnet die Augen für die schönen Seiten der Stadt.
Altes Rathaus (Hauptstraße 34)
Das alte Rathaus bildet den Mittelpunkt der Hauptstraße. Das durch seine Schlichtheit vornehm wirkende Gebäude mit seinem schönen Balkon im zweiten Stock und einem früher als Glockentürmchen dienenden Dachreiter ist aus Jurakalksteinen gemauert, die aus Heidenheimer Steinbrüchen stammen, vor allem aus den Oolith-Brüchen. Mit diesem stabilen Naturstein wurden übrigens auch Teile des Wiener Rathauses gebaut.
Die Jahreszahl 1846 unter dem Stadtwappen an der östlichen Giebelwand erinnert an die Fertigstellung. Mit dem Umzug 1972 in das neu erbaute Rathaus wurde dann das Alte Rathaus zum Kulturhaus umgestaltet und wird im Lauf der nächsten Jahre komplett renoviert. Der Name des Hauses erinnert an Elmar Doch, der von 1957 bis 1969 als Oberbürgermeister in Heidenheim wirkte.
Der „Knöpfleswäscherin“-Brunnen belebt den Platz vor dem Elmar-Doch-Haus. Der Bildhauer Albrecht Kneer schuf diese originelle Bronzeplastik, die 1984 der Öffentlichkeit übergeben wurde, nach folgender Anekdote: Eine hiesige Bürgerin wollte einst ihrem Mann einen Korb voller Knöpfle, einer einheimischen Hefeteig-Spezialität, die entfernt mit Dampfnudeln vergleichbar ist, in die Fabrik bringen. Unterwegs stolperte sie und Korb nebst Knöpfle lagen auf der Straße. Die Frau war um eine schwäbisch-pragmatische Lösung des Problems nicht verlegen, wusch die Knöpfle in der Brenz und brachte sie ohne viel Aufhebens ihrem Mann. Dem schmeckten die Knöpfle und er bemerkte auch gar nichts. Seit damals haftet den Heidenheimern daher der Beiname „Knöpfleswäscher“ an.
Rathaus (Grabenstraße 15)
Vom alten Rathaus führt der Rundgang durch eine schmale Gasse direkt zur Grabenstraße. Hier erhebt sich die städtebauliche Dominante, das 1972 fertiggestellte Rathaus. Dieses Bauwerk machte es möglich, dass sämtliche Dienststellen wieder an einem Punkt im Stadtzentrum untergebracht werden konnten. Bis Ende 2024 wird es umfassend außen saniert und energetisch und funktional an die heutigen Anforderungen angepasst. Als Besonderheit ist an der Rathausfassade – auch nach der Sanierung wieder – ein Piercing-Ring mit 2,4 m Durchmesser zu bestaunen, ein Kunstobjekt des Bildhauersymposions 2001.
Stadtbibliothek (Willy-Brandt-Platz 1)
Vorbei am Rathaus fällt ein schmales und gestrecktes, kubisches Flachdach-Gebäude mit unterschiedlichen Dach- und Deckenhöhen sowie großen Fensterflächen auf: die von Max Dudler entworfene und 2017 eröffnet Stadtbibliothek. Der rund 110 Meter lange Bau mit einer Fassade aus hellbeigen Ziegeln ist nicht nur die Heimat der Bibliothek E 50, sondern beherbergt auch verschiedene Veranstaltungsräume, das Stadtarchiv, das Kreismedienzentrum des Landkreises Heidenheim und ein Café.
Pauluskirche (Christianstraße 10)
Direkt hinter dem Rathaus – unterwegs sieht man links die Stadtbibliothek, die im Herbst 2017 eröffnet wurde – steht die Pauluskirche in parkähnlicher Umgebung, von prächtigen Bäumen gesäumt. Sie wurde nach den Plänen des königlichen Hofbaudirektors Felix von Berner errichtet und 1898 eingeweiht. Die im wesentlichen aus rotem Backstein im Stil der Neugotik erbaute Kirche ist ein herausragendes Beispiel des Historismus. Erwähnenswert ist auch das Relief in der Giebelfläche über dem Hauptportal, das vom Künstler Hermann Lang stammt. Die Pauluskirche ist die größte Kirche Heidenheims und zugleich die evangelische Hauptkirche. Mit ihrem fast 75 m hohen Turm prägt sie das Bild der Innenstadt. Auf dem Weg zurück in die Grabenstraße wird man der so typischen städtebaulichen Gegensätze von Heidenheim gewahr. Die unterschiedlichen Baustile zeigen deutlich den sogenannten Zeitgeist im Wandel.
Bürgerturm (Türmle) und Stadtmauerrest (Grabenstraße 26)
Keinen Steinwurf entfernt von den modernen Gebäuden finden sich etwas südlich noch ein Stadtmauerrest und das „Türmle“. Dieser Bürgerturm ist der letzte von ursprünglich sechs Wach- und vier Tortürmen der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Er wurde um ca. 1400 in den seit dem 13. Jahrhundert bestehenden östlichen Stadtmauerabschnitt eingefügt. Der aufgemauerte Turm war bis Ende des 18. Jahrhunderts von einem Halbkegeldach bedeckt, danach erhielt er den noch heute vorhandenen Fachwerkaufsatz. Aktuell dienen diese Räume dem Heidenheimer Kunstverein als Ausstellungsräume.
Ehemaliges Mittleres Tor (Pfluggasse und August-Lösch-Straße)
Der Rundgang geht südlich weiter entlang der Grabenstraße bis zur Pfluggasse. Von dort hat man einen herrlichen Blick zum Schloss Hellenstein, das wie eine Krone über der Stadt schwebt. Die helle Kalksteinpflasterung im Belag der Pfluggasse, östlich des einstigen Gasthauses „Zum Pflug“, kennzeichnet die Lage des ehemaligen Mittleren Tors. Dieser Torturm bildete seit dem Mittelalter den Osteingang zur Stadt. Das Mittlere Tor wurde bereits gemeinsam mit dem nördlich und südlich anschließenden Stadtmauerabschnitt im 13. Jahrhundert errichtet. Wegen Baufälligkeit riss man den Turm 1780 ein und setzte an seine Stelle 1781 lediglich einen Torbogen „mit dem Stadtwappen nach innen und mit dem Landeswappen nach außen, beide in Gusseisen, bemalt und vergoldet“. 1828 wurde das Tor endgültig beseitigt.
Schloss-Apotheke (Hauptstraße 51)
Weiter geht es durch die Pfluggasse in die Hauptstraße. Das Eckhaus beherbergt schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts eine Apotheke. Das heutige Erscheinungsbild der Schloss-Apotheke mit dem Dachquerbau sowie einem imposanten Erker zur Hauptstraße hin wurde 1900 durch einen Umbau geprägt. Das Nachbargebäude von 1680 wurde 1982 saniert, wobei das ursprüngliche Sichtfachwerk der oberen Stockwerke freigelegt wurde. Im zweiten Obergeschoss befindet sich ein interessantes Jugendstil-Balkongitter.
Ehemaliges Unteres Tor und mittelalterlicher Grundwasserbrunnen (Hauptstraße 88)
Am südlichen Ende der Hauptstraße markieren helle Quadersteine im Straßenbelag die Stelle, an der sich der Untere Torturm der mittelalterlichen Stadtbefestigung befand. Erstmals 1333 durch die Erwähnung eines „Niederen Tores“ schriftlich belegt, war das Untere Tor von 1519 bis 1609 zugemauert und wurde erst im Zusammenhang mit der Errichtung der Webersiedlung „Im Flügel“ wieder geöffnet. 1773/1774 wurde der Torturm renoviert und mit einer Uhr versehen, aber bereits 1838 wurde auch der Untere Torturm zum Abbruch verkauft. Nur wenige Meter östlich erinnert eine neuzeitliche Brunneneinfassung an den Standort eines Schöpfbrunnens an der Innenseite der ehemaligen südlichen Stadtmauer.
Webersiedlung „Im Flügel“
Am Ende der Hauptstraße geht es weiter in die Erchenstraße. Sobald links das Konzerthaus zu sehen ist, führt der Weg rechts in die Alfred-Bentz-Straße und dann in den Flügel. Dort ließ Herzog Friedrich I. von Württemberg, ein bedeutender Förderer der Heidenheimer Wirtschaft, zwischen 1600 und 1604 ca. 35 Häuser in einer Reihe nebeneinander vor dem südlichen Stadttor erbauen. Die Siedlung sollte so zuzugswilligen Webern die Niederlassung in Heidenheim erleichtern und dadurch diesen hier schon seit dem Mittelalter bedeutenden Erwerbszweig intensivieren. Im Keller der schmalen Häuser stand der Webstuhl, die übrigen Räume dienten Wohnzwecken. Die Form der langgestreckten Häuserzeile gab der Siedlung ihren Namen.
Altes Eichamt (Hintere Gasse 60)
Der Weg führt wieder zurück durch die südliche Hauptstraße und biegt bei der Schloss-Apotheke links ab in die Hintere Gasse und die Altstadt von Heidenheim. Das markanteste Bauwerk in der Hinteren Gasse ist das aus dem Jahr 1688 stammende alte Eichamt, das bis 1821 als Stadtschreiberei genutzt wurde. Im Zuge der Neuordnung der Verwaltung brachte man dann das Königliche Oberamtsgericht dort unter, bevor es 1839 eine Schule wurde. Ab 1874 diente das Haus 100 Jahre lang als Eichamt zur Eichung von Maßen und Gewichten. Von 1978 bis 1980 wurde das Haus grundlegend renoviert. Seitdem ist das alte Eichamt zur zentralen Stätte der Begegnung der Heidenheimer Bürger geworden. Mit seinem eindrucksvoll gestalteten Ostportal, dem freigelegten prächtigen Fachwerk und den vorgekragten Stockwerken ist es der schönste Fachwerkbau in Stadt und Kreis Heidenheim. Die Hintere Gasse ist ein historischer, romantischer Straßenzug mit kleinen Geschäften, Restaurants und einigen sehr schön renovierten Privathäusern.
Ehemaliger Schandturm (An der Stadtmauer 8)
Weiter geht es in nördlicher Richtung bis zur Rückseite des Elmar-Doch-Hauses. Dann ist links am Berg ein Wohnturm zu sehen. Das war der Standort des Schandturms, der um 1417 mit dem westlichen Stadtmauerabschnitt als Wachturm erbaut wurde. In späteren Jahren wurde er als Gefängnis genutzt und Ende des 18. Jahrhunderts abgebrochen. Die restlichen Steine sind heute der Sockel des Wohnturms. Der Bereich um den ehemaligen Schandturm ist der älteste und romantischste Teil der einstigen Burgsiedlung. Einfach die Blicke in alle Richtungen schweifen lassen, es gibt viel zu entdecken!
Uhuloch (An der Stadtmauer 6)
Am nördlichen Nebengebäude wurde das Dachgeschoss an der westlichen Giebelseite bis zur mittelalterlichen Stadtmauer verlängert. So ist ein Durchlass entstanden, in dem Uhus und Eulen gehaust haben sollen. Hier am Fußweg entlang der Schlosshalde ist wirklich noch ein Fleckchen von Alt-Heidenheim übrig geblieben. Im Sommer ist in den angrenzenden Gärten die Heidenheimer Schlossblume mit ihren zarten weißen Blüten zu bewundern.
Geburtshaus von Johann Matthäus Voith (An der Stadtmauer 6)
Die Treppen abwärts erreicht man die Vorderseite desGebäudes Uhuloch. In dem unscheinbaren Giebelhaus wurdeam 29.04.1803 Johann Matthäus Voith geboren. Durch den Ausbau der väterlichen Schlosserei zur Maschinenfabrik legte er den Grundstein für die heutige Weltfirma Voith. 1837 verkaufte Voith sein Geburtshaus und verlagerte den expandierenden Betrieb in die damalige Schleifmühle an der Brenz. Ein Baudatum für das Haus ist nicht überliefert, der hölzerne Türsturz in Kielbogenform an der Ostseite des Gebäudes dürfte jedoch aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammen.
Ehemalige Oberamtei (An der Stadtmauer 3)
Wieder in der Hinteren Gasse geht man in nördlicher Richtung und biegt dann links ab in den heutigen Fuß- und einstigen Reitweg zu Burg und Schloss Hellenstein. Beim nordwestlichen Stadtmauerabschnitt findet sich eines der ältesten Steingebäude Heidenheims, die alte Oberamtei, in der heute die Galerie „Kleine Wanze“ interessante Ausstellungen bietet. Gegenüber der Oberamtei stand einst ein kleiner, mittelalterlicher Torturm, das Marstall-Törle, benannt nach dem Marstall der Grafen von Helfenstein.
Michaelskirche und Pfarrhaus (An der Stadtmauer 1 und 2)
Die evangelische Michaelskirche gründet auf die spätromanische Nikolaus-Kapelle (1210 – 1220). Sie wurde mehrmals umgebaut und im Jahr 1621/22 nach Norden erweitert. 1668 erhielt der Kirchturm die noch heute vorhandene Kuppelform auf einem achteckigen Oberstock mit bunten Keramikplatten. Bei der Renovierung 1965-1967 fand man 35 zuvor übertünchte frühbarocke Tafelbilder, die größtenteils vom Heidenheimer Kunstmaler und Bürgermeister Gottfried Enßlin (1600 – 1682) stammen. 27 der Tafeln schmücken die Emporen der Kirche, acht sind im Museum Schloss Hellenstein zu sehen. Im Chorraum hängt ein Ölgemälde mit der Anbetung Jesu durch die Heiligen Drei Könige. Es entstand wahrscheinlich im Atelier von Antonis von Dyck, einem Schüler Peter Paul Rubens. Die Sonnenuhr über dem Eingangsportal stammt vom ehemaligen Oberen Stadttor. Das evangelische Pfarrhaus neben der Michaelskirche wurde im Jahr 1771 erbaut. Bei der Außenrenovierung legte man 1981 das Fachwerk wieder frei. Die romantische Umgebung wird auch als der Heidenheimer Malerwinkel bezeichnet. Das Motiv bilden das Fachwerk-Pfarrhaus, der steile Giebel der Oberamtei und das mächtige Nordeingangsportal von Schloss Hellenstein.
Platz der Partnerschaften und Eugen-Jaekle-Platz
Ein paar Schritte weiter nach Norden führt der Weg aus der einst mittelalterlichen Stadt heraus und zum Platz der Partnerschaften. In das Pflaster eingelassene Mosaikwappen zeigen das Heidenheimer Stadtwappen sowie die Wappen der Heidenheimer Partnerstädte Clichy (FR), St. Pölten (AT), Newport (UK), Sisak (HR), Döbeln (DE), Quinjiang (CN) und Jihlava (CZ). Noch ein paar Schritte weiter gelangt man auf den Eugen-Jaekle-Platz, an dessen westlicher Ecke ein Brunnen mit dem sogenannten Wedelbüble steht. 1929 ließ Oberbürgermeister Jaekle den „Wedel“, ein alljährlich durch die Stadt fließendes Wildwasser, überdecken. Die Freude der Heidenheimer darüber fand ihren Ausdruck in der Inschrift: „Als ein reißend Ungeheuer brach der Wedel durch das Städtle, brach ihm das Genick der Jaekle.“ Der Rundgang führt vorbei am Gebäude Eugen-Jaekle-Platz 1. Im oberen Stock des Gebäudes, heute ein Restaurant, befinden sich Teile der mittelalterlichen nördlichen Stadtmauer, gebaut mit den staufischen Quadern aus dem 12. Jahrhundert.
Ehemaliger Gasthof zur Krone und ehemalige Poststation (Hauptstraße 22)
Wieder in südlicher Richtung zurück in der Fußgängerzone steht auf der rechten Seite ein 30 m langes Gebäude mit barocker Fensterreihung im ersten und zweiten Obergeschoss. Ursprünglich handelte es sich um zwei dicht aneinandergebaute Fachwerkhäuser aus dem 15. und 16. Jahrhundert, die Poststation und die Herberge „Zur Krone“.
Um 1749 wurde hier zusätzlich die Thurn und Taxi’sche Poststation eingerichtet. In der „Krone“ sollen unter anderem König Ludwig I. von Bayern und Kaiser Wilhelm I. übernachtet haben. Wenige Schritte in südlicher Richtung ist die Knöpfleswäscherin vor dem Alten Rathaus nicht zu übersehen, und so gelangt man zum Ausgangspunkt des Stadtrundgangs zurück.